Minderjährige Flüchtlinge brauchen Vormund, titelte der Waterbölles gestern und berichtete u. a. über Pläne der Stadt Remscheid, das Grundstück des ehemaligen städtischen Kinderheims ("Waldhof") in Küppelstein an einen privaten Investor zu verkaufen. Näheres dazu war aber weder in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Mittwoch noch in der des Bauausschusses gestern durch Sozialdezernent Thomas Neuhaus bekannt geworden. Der Bauausschuss beriet über den Verkauf in nichtöffentlicher Sitzung, wie bei Grundstücksangelegenheiten mit Rücksicht auf den Datenschutz üblich. Dabei hätte eigentlich nichts gegen eine öffentliche Darstellung des Vorhabens in seinen Grundzügen gesprochen. Aber mit Öffentlichkeitsarbeit hat die Stadt Remscheid bekanntermaßen so ihre Schwierigkeiten. Also führte der Waterbölles gestern einige Telefongespräche. Daraus ergab sich folgendes Bild.
Der Waldhof war einst das Kinderheim der Stadt Remscheid. Es fusionierte am 1. September 2005 mit dem Evangelischen Kreiskinderheim Wermelskirchen. Träger ist seitdem die Evangelische Jugendhilfe Bergisch Land gGmbH (EJBL). 24 Prozent der Geschäftsanteile hält die Stadt Remscheid. Von den vier Häusern des Waldhofs sind derzeit noch zwei bewohnt. Die EJBL betreibt dort ihre Heimaufnahme und ihr Clearingzentrum. Aufgeteilt auf zwei Gruppen, haben dort bis zu 16 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren einen Schutz- und Schonraum, die in einer akuten Notsituation vom Jugendamt aus ihrem bisherigen Umfeld herausgenommen werden mussten, von der Polizei aufgegriffen wurden oder selbst um Inobhutnahme gebeten haben, so die EJBL auf ihrer Internetseite.
Anfang 2012 hieß es, ein Investor würde die dringend sanierungsbedürftigen städtischen Häuser gerne kaufen, sanieren und dann weiter an die EJBL vermieten. Doch im September 2012 folgte die Absage: Der potenzielle Investor habe sein Invest nicht wirtschaftlich darstellen können. Ob er sich eines Besseren besonnen hat oder ein neuer Kaufinteressent gefunden wurde? Tatsache ist jedenfalls, wie Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz gestern auf Nachfrage bestätigte, dass ein Bauunternehmer zwei der insgesamt vier Häuer im Frühjahr gekauft hat und nun auch die übrigen beiden erwerben möchte. Sobald der Kauf rechtskräftig sei, werde der Investor für neue Fenster sorgen, berichtete Sozialdezernent Thomas Neuhaus. Die beiden leerstehenden Häuser will der Investor baldmöglichst energetisch sanieren, damit dort unbegleitete ausländische Jugendliche unterkommen und betreut werden können. Kaum eine Stadt in Deutschland, die noch Heimplätze für dieses Klientel zur Verfügung hat. Fachleute schätzen die Zahl der minderjährigen, alleinreisenden Flüchtlinge in Deutschland auf 55.000. Da hat sich die Nachricht von den jüngsten Ausbauplänen in Küppelstein schnell verbreitet. Neuhaus: Sogar aus Passau kam eine Anfrage!
Hätte die Stadt die Häuser nicht auch selbst auf Vordermann bringen können? Zumal zu der Verwaltungsvorstand gestern auf einer Pressekonferenz die nächste Fortschreibung des Haushaltssanierungsplans vorgestellt hat. Und dazu gehört auch die erklärte Absicht, Liegenschaften zu kaufen oder zu bauen, sollte das im Vergleich zu angemieteten Häusern wirtschaftlicher sein. Eine Kreditfinanzierung solcher Vorhaben Kredite sind derzeit so günstig wie nie wäre nach Abstimmung mit der Bezirksregierung Düsseldorf möglich; das hat die Stadt dort bereits abgeklärt. Welche angemieteten Objekte nicht wirtschaftlich sind, will die Stadt ggf. durch die Kommunalberatung DKC der DEKA-Gruppe (der Sparkassen) prüfen lassen.
Warum also quasi gegen die erklärte Bauabsicht der Verkauf der alten Kinderheim-Häuser in Küppelstein? Oberbürgermeister Mast-Weisz: Das eine ist unser langfristiges Ziel. Bei den minderjährigen Flüchtlingen aber besteht dringender Handlungsbedarf. Die Stadt muss mit der Zuweisung weiterer 20 Jugendlicher rechnen. Es komme darauf an, diese Jugendlichen nicht bei Erwachsenen in einem Flüchtlingsheim unterzubringen, sondern in einer behüteteren Umgebung. Und das habe das städtische Gebäudemanagement nicht garantieren können. Wir haben für ein solches Projekt keinerlei personelle Kapazitäten mehr!
Deshalb ist die Stadt offenbar freudig auf das Kaufangebot des Bauunternehmers eingegangen, obwohl die Gebäude in der städtischen Bilanz mit einer Summe geführt werden, die über dem Kaufpreis liegt. Mit anderen Worten: Aus dem Verkauf ergibt sich ein Bilanzverlust (wie schon beim Verkauf der Bahnhofsgartens an den Kino-Investor). Wichtiger waren den Stadtoberen aber offenbar die dringend benötigten Heimplätze, die die EJBL dann von dem Investor mieten kann. Zu einem vernünftigen Preis, wie verlautete. Auch deshalb sah die Stadt wohl keinen Grund, an der Seriosität dieses Immobiliengeschäftes zu zweifeln. Zumal die Häuser mitten in einem so genannten Flora-Fauna-Habitat-Naturschutzgebiet (FFH) liegt. Das lässt lediglich eine gemeinnützige Nutzung der Gebäude zu, aber keinen späteren Ausbau zu Edel-Bungalows.