Natürlich gibt es geradlinige Lebensläufe. Von Menschen, die schon in jungen Jahren wussten, was sie werden wollen. Mir scheint jedoch, das ist eher die Ausnahme als die Regel. Nicht selten beginnt das Leben nach der Schule mit einer Fehlentscheidung in der Frage Studium oder Beruf? Da wird dann aus Unsicherheit ein Studium gewählt, statt die duale Ausbildung in einem von mehr als 300 Berufen, für die Deutschland in vielen anderen Ländern beneidet wird. Und das, obwohl in Industrie und Handwerk die Berufschancen gut sind. Denn dort befördert längst der demografische Wandel den Fachkräftemangel, und rückläufige Bewerberzahlen bei Lehrstellen tun ein Übriges.
Da lag es nahe, für die duale Ausbildung eine Lanze zu brechen. Das taten gestern Abend in der gut besetzten Aula der Sophie-Scholl-Gesamtschule, viele, die in der einen oder anderen Form selbst mit Ausbildung zu tun haben - in Handwerk oder Industrie, in Verwaltung oder Schulen. Allen voran Frauke Türk von der Koordinierungsstelle Kein Abschluss ohne Anschluss. An ihrer Seite als erfahrener Moderator Horst Kläuser, am vergangenen Freitag noch mit Kall nit - Talk! auf der Bühne des Teo-Otto-Theaters. Am gestrigen Abend, den Saxophonist Martin Kuske musikalisch eröffnete, wirkten Kläusers Gespräche mit Lehrer*innen und Ausbilder*innen sowie Auszubildenden, die sich für eine duale Ausbildung entschieden haben, wie eine themenzentrierte Fortsetzung der bekannten Talkrunde und waren ebenso vielseitig und interessant. Vor allem für die Eltern im Saal, die im Prozess der Berufsorientierung für ihre Kinder der zumeist wichtigste Ratgeber sind. Da war sich Kläuser sicher: Angesichts der unglaublichen großen, leider aber auch oft unübersichtlichen und verwirrenden Palette von Bildungsangeboten stünden die Eltern im Ranking der Berufsberater an erster Stelle, noch vor den Lehrern und den Peergroups der Jugendlichen.
Zu jenen, mit denen Horst Kläuser gestern über Ausbildung, berufliche Zukunft und Lebensplanung sprach, gehörten auch Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz und Schulleiter Carlos Sánchez-Martínez. Der eine verriet, nach der Schule die Einstiegsprüfung für den Polizeidienst abgelegt zu haben, bevor er sich dann für ein soziales Studium entschied. Der andere, der im Laufe seines Lehrer-Studium viele Nebenjobs hatte - und Freude an der Tischlerei -, bekannte, die Pädagogik dabei nicht aus den Augen verloren zu haben. Die hatte ich einfach in den Genen, sagte Sánchez-Martínez. Und beide betonten, wie wichtig es sei, dass Eltern ihre Kinder bei Berufs- oder Studienwahl begleiten und beraten, ohne sie zu bevormunden. Burkhard Mast-Weisz: Hauptsache, es kommt ein Beruf dabei heraus, in dem man Chancen hat und sich wohl fühlt!
Auch ihre Eltern seien gute Ratgeber gewesen, sagte Derya Kolbasi. Mit einem Fachabitur in der Tasche begann sie am 15. August 2016 bei der Stadt Remscheid eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Seitdem hat sie die Abteilung Materialwirtschaft und das Stadtarchiv kennengelernt, vor allem aber das Standesamt. Und dort, wo derzeit Personalmangel herrscht, sieht sie ihren berufliche Zukunft. Das wäre mein Traum, da habe ich viel mit Menschen zu tun, bekannte Derya Kolbasi dem Moderator Kläuser. Ihr Rat an alle Schulabgänger mit Zweifeln über den weiteren Lebensweg: