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Channel: Waterbölles - Kommunalpolitik
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Früher Nein zu Fahrrädern, jetzt freie Fahrt für Pkw?

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Postkarte der Alleestra0e aus 1970.„Parkplätze vor der Ladentüre lassen die Kassen klingeln“, titelte der Waterbölles am 18. Mai 2011. An diesem Tag hatten Oberbürgermeisterin Beate Wilding, Stadtplaner Hans Gerd Sonnenschein und Prof. Dr. Dirk Temme („Schumpeter School of Business and Economics“ der Universität Wuppertal) das „Gutachten zur Auswirkung der probeweisen Öffnung der unteren  Alleestraße (Fußgängerzone) in Remscheid für den motorisierten Individualverkehr“ präsentiert, das die Stadt Remscheid bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Kein Grund, darüber heute noch Lobgesänge anzustimmen (siehe Kasten). Aber Politiker können ja so vergesslich sein, wenn es ihnen in den Kram passt. Und so verfasste die CDU-Fraktion fünfeinhalb Jahre später, im Dezember 2016, den Antrag an die Bezirksvertretung Alt-Remscheid, die Verwaltung möge ein (Parkraum-)Konzept erstellen für künftigen motorisierten Individualverkehr auf der unteren Alleestraße vom Markt bis zur Scharffstraße sowie ein zweites für Wohnbebauung in diesem Bereich der Alleestraße.

Kein Grund für Lobgesänge

Für alle, die in „geschichtlicher Verklärung“ heute das „Gutachten zur Auswirkung der probeweisen Öffnung der unteren  Alleestraße (Fußgängerzone) in Remscheid für den motorisierten Individualverkehr“ von Prof. Dr. Dirk Temme ( Universität Wuppertal) vom Mai 2011 hochloben, hier ein Zitat: „Eine Auswertung der Informationen über die Kassenvorgänge (Anm.: der Einzelhändler) war ...aufgrund fehlender Daten sowie der Unterschiedlichkeit der Art der Angaben nicht möglich. Die subjektiven Einschätzungen der zwölf Einzelhändler, die die Fragebögen ausgefüllt zurückgeschickt haben (Anm.: von insgesamt 20 angeschriebenen), ergeben lediglich eine Stimmungslage, die nicht repräsentativ ist!“

An einer schriftlichen Kurzbefragung der Universität nach Ende der damaligen Testphase beteiligten sich von 34  angeschriebenen Einzelhändlern nur noch neun; lediglich sieben Fragebögen konnten ausgewertet werden. Auf die Frage, ob die untere Alleestraße nach Abschluss der Probephase wieder für den privaten Fahrzeugverkehr geöffnet werden sollte oder nicht, antworteten vier Geschäfte mit Zustimmung, während drei Geschäfte eine solche Öffnung ablehnten. Kein Grund für Lobgesänge also!

Damals zeichneten sich bereits Pläne für eine Revitalisierung der gesamten Innenstadt ab. Deshalb warnte damals Bezirksbürgermeister Otto Mähler zu Recht: „Wir stehen kurz vor Beginn eines Prozesses, der für die gesamte Innenstadt gilt, Millionen kosten wird und hoffentlich bis zum Jahr 2020 abgeschlossen ist. Da nutzt es nicht, das Pferd von hinten aufzäumen mit irgendwelchen Vorschlägen, die womöglich die Vorschläge der Planer konterkarieren würden.“ Und der Waterbölles kommentierte „Was soll es zum jetzigen Zeitpunkt bringen, gebetsmühlenartig mehr Autos auf der unteren Alleestraße zu fordern? (...) Es würde sogar Sinn haben, das Thema ruhen zu lassen, bis die geforderten neuen Wohnungen  bezugsfertig sind. Vielleicht interessieren sich dafür ja insbesondere ältere Mitbürger ohne eigenes Auto, die ihren Lebensabend gerne stadtnah verbringen möchten – aber ohne viele Autos  anderer vor ihrer Haustür!“

Nun also ein neuer Antrag zum alten Thema, wieder von der CDU und wieder in der Bezirksvertretung Alt-Remscheid (BV). In der Sitzung am Dienstag wurde er diskutiert und schließlich mit neun Stimmen (von SPD, WiR und Pro Deutschland) gegen sieben Stimmen von SPD, Grünen und FDP bei Enthaltung von Ilsedore Uibel (SPD) angenommen. Bezirksbürgermeister Otto Mähler hatte zuvor vergeblich empfohlen, erst die vom Oberbürgermeister für die nächste Sitzung angekündigte „ausführliche Vorlage zum Thema“ abzuwarten, während Alexander Ernst (WiR) darauf verwies, dass „Fachleute schon seit Jahren für Autoverkehr plädieren“. (Die Abstimmung in der BV lässt eine weitere „muntere“ Debatte erwarten bei der endgültigen Abstimmung in der nächsten Ratssitzung.)

Der neue Antrag der CDU, über den der Waterbölles schon am 4. Februar berichtete, ist eigentlich der alte: „Die untere Alleestraße wird im Bereich vom Markt bis zur Höhe der Scharffstraße probeweise für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren für den motorisierten Individualverkehr geöffnet. (...) Für diesen Bereich wird ein Parkraumkonzept erarbeitet.“

Als erste Kritikerin der CDU meldete sich Beatrice Schlieper von den Grünen zu Wort. Sie erinnerte an den Antrag ihrer Partei von September 2014, in der Fußgängerzone der Alleestraße Fahrräder zuzulassen. Den zogen die Grünen allerdings einen Monat später wieder zurück, nachdem die Polizei, wie es damals hieß, Sicherheitsbedenken geäußert hatte. Vehement hatte sich zuvor auch die Vorsitzende der Senioren-Union Remscheid, Elke Rühl (CDU),  im Seniorenbeirat gegen den Fahrradverkehr auf der Allee ausgesprochen:  „Wir glauben nicht, dass eine solche Öffnung maßgeblich zur Belebung der Allee in der Innenstadt beitragen würde. Vor allem aber haben wir Sorge um die Sicherheit der älteren Menschen, Behinderten und Kinder, die über die Alleestraße gehen.“ – „Damals gegen Fahrräder, heute für Pkw, das ist nicht zu verstehen“, sagte Schlieper am Dienstag. Widerspruch von der CDU. Alexa Bell: „Wir glauben an die untere Alleestraße“; Bernd Quinting: „Die Leute, die dann im Straßencafé sitzen, die wollen was sehen!“. Latte Macchiato im Auspuffdunst?

Autoverkehr und Außengastronomie auf der Alleestraße, das sei ein Widersprich in sich, meinte Fritz Beinersdorf von den Linken. Da seien ihm Spielgeräte und ein Sandkasten für Kinder schon lieber. „Außengastronomie? Welche? Straßencafés brauchen Aufenthaltsqualität“, meinte Schlieper. „Bei Autos auf der Mitte der Straße wäre für Tische und Stühle kaum noch Platz!“ Ihr Fazit: „Für alle Konzepte, die wir uns für die untere Alleestraße noch einfallen lassen könnten, wären Autos nur störend. Erst recht bei neuen Wohnungen rechts und links. Da müsse schließlich auch an „Aufenthaltsqualität“ gedacht werden.

Rosemarie Stippekohl (CDU) ging darauf nicht ein, wohl aber auf den Radfahrverkehr. Der werde sich bei Autoverkehr auf der Alleestraße nicht verhindern lassen. Das stehe schließlich so in der Straßenverkehrsordnung.


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