Zur Ratssitzung am kommenden Donnerstag hat die Verwaltung der Politik Informationen für eine künftige Entwicklung der Alleestraße an die Hand gegeben. Vor der Sommerpause soll dann die inhaltliche politische Diskussion in einer Beschlussvorlage zur Alleestraße absorbiert werden, heißt es in dem aktuellen Papier eingangs. Und weiter: Die Alleestraße sei das Aushängeschild und der genius loci der geistigen und baulichen Haltung der Stadt Remscheid, (...) zudem seit Jahrzehnten Kumulationspunkt der politischen Auseinandersetzungen bis heute. So lägen der Verwaltung aktuell divergierende Anträge und Anfragen (u. a. von SPD, Grünen und CDU) vor, die alle gemein haben, die künftige Ausrichtung für die Alleestraße zu hinterfragen oder neu zu justieren. In diesem Meinungskonzert versuche die aktuelle Mitteilungsvorlage konzeptionell die aktuellen Diskussionen zu den Verkehrsfragen, zur Revitalisierung und auch zur baulichen Ausrichtung der Alleestraße aufzugreifen und zu bündeln.
Die Beschreibung der gegenwärtigen Situation führt die Stadtverwaltung zu dem Vorschlag, die Alleestraße als Hauptzentrum der Stadt Remscheid zum Sanierungsgebiet zu erklären, um einer Wertminderung der Gebäude entgegenzuwirken und den Immobilienbesitzern finanzielle Anreize für deren Modernisierung zu bieten. Zitat: Die Eigentümer von Immobilien in einem Sanierungsgebiet sind bei erheblichem Sanierungsrückhalt dazu angehalten, den Bestand zu modernisieren. Für Modernisierungen können Städtebaufördermittel bereitgestellt werden. Entsprechende steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für die Privateigentümer sind nur in einem Sanierungsgebiet möglich. Auf diese Weise könne die Alleestraße langfristig gestärkt werden, im Einzelhandel etwa durch neue Nischenangebote, aber auch durch parallele Nutzungen, wie Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie.
Seit Ende der 1990er Jahren erlebe die Stadt Remscheid einen Strukturwandel (Wegfall gewichtiger Einzelhandelsbetriebe und Überangebot an Wohnungen), heißt es in der Vorlage. Seither wurde eine Reihe von Stadtentwicklungsprozessen erarbeitet, wie zum Beispiel der Kooperative Entwurfsprozess 2005, die Planungswerkstatt Innenstadtkonzept 2008, das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) und das Entwicklungskonzept 2009. 2014 wurde ein Revitalisierungskonzept mit 39 Einzelmaßnahmen erstellt. Die zu Verfügung stehende Anreizfinanzierung in Form des Haus- und Hofflächenprogramms wurde bisweilen nur zurückhaltend in Anspruch genommen. Dies liegt mitunter daran, dass die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in den Bestand ungewiss erscheint.
Das Revitalisierungskonzept soll nach den Vorstellungen der Verwaltung ein wichtiger Baustein für den Stadterneuerungsprozess bleiben. Die darin enthaltenen einzelnen Maßnahmen könnten ihre Wirkung aber erst in Gänze entfalten durch zusätzliche Anreize für private Investitionen. Zitat: Das Revitalisierungskonzept stößt ... an die Grenzen der Möglichkeiten zur Behebung der städtebaulichen Missstände. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, eine vorbereitende Untersuchung nach §141 BauGB durchzuführen. Nach der vorbereitenden Untersuchung kann die Wahl des entsprechenden Sanierungsinstruments folgen. Als Untersuchungsgebiet wird das bestehende Stadtumbaugebiet empfohlen. Ein Sanierungsgebiet bestehe für die Dauer von 15 Jahren und werde in den Grundbüchern der Eigentümer vermerkt. Das mache diese sonderabschreibungsfähig nach § 7h EStG.
In der kurzfristigen Öffnung der Alleestraße für den Autoverkehr sieht die Verwaltung keine Lösung der Probleme: Die Diskussion um die Öffnung der Alleestraße ist im Wesentlichen von der Hoffnung getragen, dass eine Befahrbarkeit durch den motorisierten Individualverkehr zu einer Vitalisierung des Handels und einer Nachfragesteigerung nach Einzelhandelsflächen führt. Die fachlichen Positionen dazu sind ambivalent und gegensätzlich. Der ansässige Handel geht von geschäftsfördernden Impulsen aus und erwartet keine Nachteile, während die ansässige Wohnbevölkerung Beeinträchtigungen der Wohnqualität befürchtet. Städtebaulich dreht sich die Diskussion um eine weitere Banalisierung der Alleestraße, den Verlust von Aufenthaltsqualität und die Vernichtung öffentlicher Investitionen einhergehend mit einer Verschlechterung des Erscheinungsbildes der Innenstadt. Die Verwaltung empfiehlt, erst die Funktion der Alleestraße und dann die richtige verkehrliche Erschließung zu diskutieren. Zu integrieren seien dabei auch die Überlegungen zu einer fahrradgerechten Erschließung der Straße sowie einer Belegung durch einen möglichen selbstfahrenden Shuttlebus (Olli-Bus) als selbstlernendes Transportsystem.
In einer vorbereitenden Untersuchung zum Sanierungsgebiet könne der Verkehr dezidiert untersucht und vorhandene Mängel festgestellt werden. Es gelte, den öffentlichen Raum aufzuwerten und die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Das bauliche Konzept für die Alleestraße müsse durch einen städtebaulichen Masterplan flankiert werden. Die Alleestraße als attraktiver Wohnstandort). Dabei sei auf eine soziale Durchmischung und Integration auch von Senioren, Kindern, Migranten und betreuungsbedürftigen Menschen zu achten, um damit urbane Güte sicherzustellen.
Für ein erklärtes Sanierungsgebiet spricht nach Ansicht der Verwaltung der Zustand vieler Immobilien. Zitat: Bei einer Anzahl von Immobilien ist eine ungewöhnlich hohe Frequenz von Eigentumswechseln festzustellen. In häufigen Fällen finden dennoch keine Investitionen statt. Diese Häuser werden weiterhin in einem nicht zeitgemäßen Standard vermietet mit dem mittel- bis langfristigen Risiko der Unvermietbarkeit. Als Folgen eines langfristigen Leerstands drohen eine Verwahrlosung von Gebäuden und damit die Schädigung des Stadtbilds zum Nachteil der Anwohner und Nutzer. Es ist daher entscheidend, dass der Stadterneuerungsprozess zum Wohle der Allgemeinheit zügig und konsequent durchgeführt werden kann. In die Sanierungssatzung könnten folgende Instrumente aufgenommen werden:
- Vorkaufsrecht § 24 Abs. 1, Satz 1 Nr. 3 BauGB
- Genehmigungspflicht nach § 144 BauGB
- Ersatzpflichten nach § 150 BauGB
- Abgaben- und Ausgleichsbefreiung § 151 BauGB
- Steuerabschreibungsmöglichkeiten §§ 7h, 10f, 11a EStG
- Kaufpreisbeschränkungen § 153 Abs. 1-3 BauGB
- Ausgleichsbeiträge § 154 BauGB
- Anwendbarkeit der Vorschriften über die Aufhebung von Miet- und Pachtverhältnissen
- §§ 182 186 BauGB
Zum Verfahren: Während der vorbereitenden Untersuchungen werden die Betroffenen an der Planung beteiligt (Workshops, Bürgerwerkstätten). Die Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen werden dem Stadtrat. Bei Notwendigkeit weiterer Sanierungsmaßnahmen beschließt der Stadtrat für das Untersuchungsgebiet ein Sanierungs- und Neuordnungskonzept inklusive Kosten- und Finanzierungsübersicht. Und legt das Sanierungsgebiet per Satzung fest. Im Unterschied zur bisherigen Stadtumbaumaßnahme ist es im Rahmen des Sanierungsgebietes möglich, beispielsweise mithilfe verschiedener kooperativer Investorenmodellen die Sanierungsziele umzusetzen und dabei das Sanierungsrecht gezielt anzuwenden, stellt die Verwaltung fest. Nach Abschluss und Abrechnung aller Maßnahmen erstellt die Stadt Remscheid einen Gesamtverwendungsnachweis über den Einsatz der Städtebaufördermittel im Sanierungsgebiet. Dieser wird abschließend von der Bezirksregierung geprüft (...). Im Fall eines Umfassenden Verfahrens ist die Stadt verpflichtet, von den Eigentümern Ausgleichsbeträge entsprechend des Wertzuwachst des Grundstücks zu erheben.