Die Diskussion um den in der Ratssitzung am Donnerstag vorliegenden Antrag der Grünen zu einer "kontrollierten Abgabe von Cannabis begann bereits bei der Festlegung der Tagesordnung. Da sagte Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz, er habe seine Zweifel, ob der Antrag sich überhaupt mit Angelegenheiten der Kommune befasse und nicht vielmehr Bundesangelegenheiten betreffe; für den Fall, dass er eine Mehrheit bekomme, werde er ihn aber nicht beanstanden. David Schichel von den Grünen widersprach: Drogenmissbrauch, Drogenprävention und Jugendschutz sowie gesundheitspolitische Fragen seien sehr wohl Angelegenheiten, mit denen sich ein Kommunalparlament beschäftigen dürfe. Und Fritz Beinersdorf (Linke) warnte davor, das Thema juristisch abbügeln zu wollen: §Der Rat der Stadt, kann, soll und muss über Angelegenheiten entscheiden, die die Bürgerschaft betreffen!
Das solle aber zunächst einmal der Sozialausschuss tun, befand Thomas Brützel von der Wählergemeinschaft WiR. Dort hatte der Antrag schon einmal vorgelegen, verwiesen vom Rat der Stadt. Doch der Ausschuss hatte sich damit nicht befasst (ein Armutszeugnis) und ihn dem Rat wieder zurückgeschickt. Die Rücküberweisung sei einen Versuch wert, so Brützel. Damit konnte sich der OB anfreunden. Denn das gebe dem Antragsteller die Möglichkeit, den Antrag dahingehend zu überarbeiten, dass der Bezug zur Kommune deutlicher werde. Für eine Rücküberweisung an den Sozialausschuss stimmte dann allerding s nur ein einziges Ratsmitglied (Brützel), und als dann auch noch der Antrag der CDU, das Thema ganz von der Tagesordnung zu nehmen, bei 18 Ja-Stimmen keine ausreichende Mehrheit fand, blieb die Resolution der Grünen auf der Tagesordnung, nachfolgend der Wortlaut:
Die Stadt Remscheid setzt sich dafür ein, dass wissenschaftliche Forschungsprojekte zu einer kontrollierten Abgabe von Cannabis unter medizinischen, gesundheitlichen und sozialen Aspekten sowie unter Einhaltung des Jugendschutzes ermöglicht werden.
Hierzu fordern wir Bundesregierung und Bundestag auf, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Genehmigung wissenschaftlicher Forschungsprojekte nach § 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz zu vereinfachen und zu ermöglichen. Die Verwaltung wird beauftragt, insbesondere auf Ebene der kommunal en Spitzenverbände die zukünftige Entwicklung und Bestrebungen zur Entkriminalisierung des Cannabiskonsums aktiv zu begleiten.
Begründung: Prohibition und Repression sind als drogenpolitische Instrumente insbesondere bei Cannabis offenbar gescheitert. Es wird Zeit, neue Wege zu erproben. Die internationale Entwicklung legt nahe, dass eine Regulierung des Cannabismarktes mittelfristig auch in Deutschland wahrscheinlich ist. Dann wird es darauf ankommen, optimale Bedingungen zu schaffen, bei denen Jugend- und Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert haben. Die Stadt Remscheid möchte diese Entwicklung aktiv begleiten.
§3 BtMG bietet grundsätzlich die Möglichkeit für Forschungsprojekte im Drogenbereich. Bei der Heroinvergabe in sieben Städten an 1.000 Abhängige wurde diese Vorschrift erfolgreich angewendet. Bisherige Anträge für Cannabis-Modellversuche anderer Städte (Münster, Berlin Friedrichshain-Kreuzberg) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führten bisher jedoch zur Ablehnung. Bremen und Thüringen haben 2017 einen Antrag im Bundesrat eingebracht, um diese rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären. Der Antrag wurde abgelehnt. Nun ist diese Forderung auch im Bundestag angekommen. Die Diskussion ist bisher noch nicht abgeschlossen. Wir setzen uns daher dafür ein, zusammen mit anderen interessierten Städten auf eine Vereinfachung der Zulassung wissenschaftlicher Modellprojekte auf Bundesebene hinzuwirken.
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Ein bloßes Verbot von Cannabis verhindert dessen Konsum nicht, eröffnete David Schichel die eigentliche Aussprache zum Antrag. Der Cannabis-Markt müsse staatliche reguliert werden; das erst werde den Schwarzmarkt austrocknen, den es gegenwärtig auch in Remscheid gebe. Dazu könne der Rat der Stadt nun ein deutliches Signal an Berlin senden.
In der SPD-Fraktion habe eine intensive, lebendige Diskussion des Für und Wider unterschiedliche Meinungen hervorgebracht, so Fraktionsvorsitzender Sven-Wolf. Zu den Befürwortern gehörte die SPD-Unterbezirksvorsitzende Christine Krupp. Sie sprach von einem progressiven Signal: Ich werde zustimmen. Den Antrag, den die SPD kürzlich an den Bundesparteitag geschickt hat, ist allerdings weitergehender! Zustimmung für die FDP kündigte anschließend Wolf Wallutat an. Eine Legalisierung von Cannabis ermögliche auch Qualitätskontrollen, eine bessere Bekämpfung krimineller Händler und mehr Aufklärung. Dem schloss sich Fritz Beinersdorf an. Kinder könnten durch Legalisierung von Cannabis besser geschützt werden.
Thomas Brützel und Tanja Kreimendahl (CDU) bezweifelten das. Kreimendahl verwies auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die habe Cannabis mit Wahlvorstellungen und einer höheren Todesrates verbunden. Einspruch von David Schichel: Das hat die CDU bei Nikotin und Alkohol noch nie vorgebracht! Im Übrigen sei die zitierte WHO-Stellungnahme veraltet, ergänzte Christine Krupp.
Bei der Abstimmung erhielt die Resolution der Grünen lediglich zwölf Ja-Stimmen (bei einer Enthaltung) und war damit abgelehnt.