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Warum Sven Graf in Remscheid Lust auf Zukunft hat

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„Künstlerische Programmverantwortung bei Sven Graf“, meldete der Waterbölles am 24. Mai taufrisch, nachdem die Stadt per Pressemitteilung mitgeteilt hatte, dass der Leiter der Abteilung Tanz & Entertainment bei der Konzertdirektion Landgraf, dem größten Theatergastspielanbieter im deutschsprachigen Raum, die vakante Dreiviertel-Stelle der künstlerischen Programmverantwortung im Teo Otto Theater bekommen werde. Aus 38 Bewerbungen hatte die Stadtverwaltung neun Bewerberinnen und Bewerber zu ausführlichen persönlichen Gesprächen eingeladen und diese schließlich mit der einvernehmlichen Empfehlung für Sven Graf abgeschlossen. Zum 15. September wird der dann 38-Jährige seine neue Stelle antreten - und bis dahin wahrscheinlich schon von Freiburg nach Remscheid umgezogen sein, wie er gestern Nachmittag der lokalen Presse berichtete: „Einige Wohnungen habe ich mir schon angesehen!“ Eine Stunde später stellte sich Sven Graf im Deutschen Werkzeugmuseum den Mitgliedern des Ausschusses für Kultur und Weiterbildung vor. Und trug in Kurzform das vor, was er anschließend in der Langfassung auch schriftlich verteilte:

Sven Graf, ab 15. September  der neue künstlerische Programmverantwortliche im Teo Otto Theater, gestern Nachmittag: Zwei Vorstellungen innerhalb von zwei Stunden. Zuerst vor der lokalen Presse im Rathaus (im Video) mit Stadtdirektor Sven Wiertz und Theaterleiter Lutz Heinrichs und dann vor dem Kulturausschuss im Deutschen Werkzeugmuseum.

„Mit Remscheid verbinde ich nun bereits mehr als sechs Jahre gute Zusammenarbeit, sowohl mit dem heutigen Theaterleiter Herrn Heinrichs wie auch zuvor mit Herrn Dr. Henkelmann und dem gesamten Team. Ebenso verbinde ich damit eine große Herausforderung, die es anzunehmen gilt. Zum einen natürlich durch den Namensgeber des Theaters: Teo Otto, der schon jung mit 27 Jahren Ausstattungschef des Preußischen Staatstheaters war und hernach weltweit großartige Werke vollbrachte. Es entstanden legendäre Bühnenbilder, wie das der Gründgens'schen Faus-Inszenierung oder der Brecht'schen Mutter Courage. In über 800 Inszenierungen weltweit entstand ein einmaliges künstlerisches Lebenswerk. Aber auch seine oft sozialkritischen Bilder kennzeichnen ihn nicht nur als einen Mann des Hintergrunds, sondern auch als einen kritischen und genauen Beobachter. Mit seinen Werken bot er Reflexionsflächen, behielt aber gleichsam ein waches und kritisches Auge für die Welt um ihn herum, auch im dritten Reich und der ehemaligen DDR. Er vereinte Erscheinungsbild und Inhalt auf eine kluge und empathische Weise, die zu den Zuschauern und Kritikern gleichermaßen sprach und sie für sich einnahm. Zum anderen gilt es aber auch die bisher geleistete hochqualitative Arbeit fortzusetzen, die im Schauspiel, im Musiktheater, vor allem aber auch im Tanztheater ganz besondere Akzente gesetzt hat. Hier gilt es anzuknüpfen und das große Erbe sowohl Teo Ottos wie auch seines Theaters weiter zu führen.

Kultur wird nicht aus dem Elfenbeinturm heraus gemacht. Das Teo Otto Theater wird und muss immer das Theater für Remscheid und seine Bürger sein. Werfen wir also einen Blick darauf, für wen wir Theater machen - das ist überaus komplex und kann deshalb an dieser Stelle nur ein unvollständiger Überblick sein: Seit den 1950-er Jahren ist Remscheid eine Großstadt, etwa die letzten 20 Jahre stabil bei einer Einwohnerzahl leicht über 110.000. Die Arbeitslosenquote liegt mit über 7,2 Prozent über dem nationalen Durchschnitts von ca. 4,9 Prozent und leicht über dem Durchschnitt von NRW (6,5 Prozent). Remscheid ist Teil der Wirtschaftsregion Bergisches Städtedreieck zusammen mit Wuppertal und Solingen. Das Bergische Land im Allgemeinen ist bekannt für seine Werkzeug-, Maschinen und Anlagenfertigung, Remscheid im Speziellen für zahlreiche und innovative mittelständische Unternehmen. Traditionell handelt es sich entsprechend um eine Stadt des zukunftsweisenden Handwerks, wo sowohl handfest angepackt als auch nach neuen, kreativen Lösungen gesucht wird. Die Stadtbevölkerung ab 60 Jahren hat in Remscheid in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zugenommen. Ein Großteil ist evangelisch und verheiratet, nur etwa zehn Prozent besteht aus zugewanderten Menschen. In Remscheid haben (unter Berücksichtigung der doppelten Staatsangehörigkeiten) 93.000 Personen die deutsche und 34.000 Personen eine ausländische Staatsangehörigkeit (am stärksten vertreten: türkisch, italienisch, polnisch) - also hat mehr als jeder Vierte eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Diese Diversität findet sich auch in dem seit 2004 zweijährig gewählten Jugendrat aus Schülerinnen der weiterführenden Remscheider Schulen wieder.

Während das Abo-Publikum meist in der Altersriege 60+ rangiert und dieses tendenziell traditionell-konservativ ausgerichtet ist, erlebt die junge Generation eine Realität, die viele traditionelle Werte und Gesellschaftsstrukturen in Frage stellt oder aufbricht. Für die ältere Generation ist vieles davon völlig neu und manchmal beängstigend, während die Jüngeren sich durch eine Welt navigieren, die absolute Richtlinien und Orientierungspunkte oft vermissen lässt. Die Suche nach Orientierung kennen aber beide und die daraus resultierende Schnittfläche ist für ein kulturelles Angebot prädestiniert. Gleichzeitig sind viele der aktuellen Themen auch nicht neu: Für Migration und Konflikte zwischen der älteren und der jüngeren Generation gibt es nicht nur in der deutschen Geschichte zahlreiche Erfahrungen, auf die gerade das Theater und seine Werke als kollektives kulturelles Gedächtnis zurückgreifen kann.

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