Waterbölles-Kommentar
Was
sollte ein OB-Kandidat sein? Aus
der Sicht der Parteien sollte er, schlicht gesagt, wählbar sein und möglichst
viele Wählerstimmen holen. Aus der Sicht der politisch interessierten Bürger
sollte er möglichst viel von Politik und von Verwaltung verstehen, kommunikativ
und teamfähig sein, ein kluger und ein sympathischer Repräsentant der Stadt,
gerne auch mit Charisma. Eine Persönlichkeit eben, mit klaren Standpunkten, die
er offen vertritt, ohne Angst vor politischem Diskurs.
Apropos
Diskurs. Der kommt mir in Remscheid ohnehin viel zu
kurz. Das ärgert mich schön seit Jahren. Es gibt Kommunalpolitiker, die kommen
mir wie wahre Duckmäuser vor. Nur keine klare Meinung äußern. Sie könnten ja
zitiert werden. Vor allem jetzt, im Wahlkampf, zählen manche Kandidaten auf,
welche Funktionen sie in welchen Untergliederungen der Partei inne hatten oder
haben. Vielleicht sollte man stattdessen eine andere Rubrik einführen. Könnte
heißen: Zitate der Kandidaten zu wichtigen Themen der zurückliegenden
Ratsperiode.
Was macht
ein gutes Ratsmitglied aus? Ein
guter Kommunalpolitiker ist nicht der, der das Programm einer
Partei auswendig gelernt hat, sondern derjenige, der sich kümmert. In seinem
Wahlbezirk! Der den Kontakt zu den Bürgern pflegt, und der einen guten Draht
zur Verwaltung hat. Der auf dem kurzen Dienstweg für Abhilfe sorgen kann, wenn
irgendwo etwas im Argen liegt. Beispiel: Remscheid wird über Monate ohne
Bahnanschluss sein. Jetzt entbrennt in der Politik eine Diskussion, wer davor als
Erster gewarnt hat. Motto: Ich habe es ja gleich gesagt. Da wäre mir eine
gemeinsame Resolution der Parteien lieber oder, besser noch, eine Demonstration
am Bahnhof.
Politische
Grundeinstellungen ziehen sich meist durch alle Gliederungen
einer Partei. Das liegt in der Natur der Sache. Aber einen Kadavergehorsam
gegenüber ihrer Bundesspitze kann ich bei den Parteien vor Ort zum Glück nicht
erkennen. Beispiel: die kommunalen Finanzen. Bund und Land schustern den
Kommunen immer mehr Aufgaben zu und vergessen dann elegant, die Zeche zu
zahlen. Da ist schon einige Male zu Recht Unmut laut geworden, auch gegenüber
den Oberen der eigenen Partei.
Koalitionen beschaffen die Mehrheit, die eine einzelne Partei
nicht erreicht hat. Ich halte sie für notwendig. Denn Koalitionsparteien geben
sich meist ein Programm. Ohne Koalitionen wechseln die Mehrheiten. Da hängt
dann vieles vom Zufall ab.
Am Tropf
des Landes? Remscheid ist Nothaushaltkommune, übrigens
schon sehr lange, da hatte im Rathaus noch die CDU das Sagen. Seitdem hat die
Stadt nicht genug eigenes Geld, hängt am Tropf des Landes. Und das will
natürlich wissen, wohin seine Zuschüsse fließen. Deshalb sind der Stadt die so
genannten freiwilligen Leistungen untersagt. Wollen die Kommunalpolitiker das
ändern, müssen sie finanzielle Freiräume schaffen. Und das geht momentan nur
durch den Abbau der Schuldenlast, durch Sparen. Da sind wir längst noch nicht
an Schmitz Backes vorbei. Das Sparen geht weiter und wird noch richtig wehtun,
befürchte ich. Ich kann deshalb die Erleichterung der bergischen Symphoniker
durchaus verstehen, dass ihre Zukunft schon in der ersten großen Sparrunde
gesichert worden ist.
Die
OB-Kandidaten der kleinen Parteien sind
chancenlos. Aber warum gleich die Flinte ins Korn werfen. Zu zeigen: Wir sind
auch noch da, wir könntens eigentlich auch, führt bei der OB-Wahl zwar
nicht sehr weit, hilft aber vielleicht beim Stimmensammeln für die Kommunalwahl.
Denn auf Podiumsdiskussionen haben sich auch diesmal wieder meistens nur die
OB-Kandidaten versammelt. Da verkaufen die Kandidaten der kleinen Parteien dann
nicht sich selbst, sondern die politischen Schwerpunkte ihrer Partei, die sonst
weniger bekannt werden würden. Zumal es bisher keine einzige Podiumsdiskussion
mit den Fraktionsvorsitzenden gibt. Warum eigentlich nicht?? Die sind es doch,
die im Rat der Stadt am meisten reden - und hinter den Kulissen auch das Sagen
haben!
Neuanfang ist doch kein Wert an sich. Es gibt auch den Satz Was
ich hab, das weiß ich, und was ich krieg, das weiß ich nicht. Im Übrigen ist
jede Wahl ein Neuanfang. Auch für die OB-Kandidaten, die ja allesamt schon seit
Jahren im Remscheid politisch arbeiten. Als Oberbürgermeister kennt man keinen
von ihnen. Auch für Stadtdirektor Burkhard Mast-Weisz ist das ein Neuanfang. Aber
nach so vielen Jahren als Beigeordneter halte ist seine Kandidatur nur für
logisch und konsequent.
Ob der
CDU-Fraktionsvorsitzende Jochen Siegfried, Amtsleiter in Wuppertal, Remscheid
kann? 2009 kandierte der gebürtige Pfälzer gegen Beate Wilding für das
Amt des Oberbürgermeisters, zog damals von Wuppertal zurück nach Remscheid. Im
neuen Rat der Stadt wurde er nach verlorener Wahl der Vorsitzende der CDU-Fraktion. Längst kennt er sich in
der Remscheider Kommunalpolitik aus, zumal er in Remscheid früher als
Fraktionsgeschäftsführer gearbeitet hat. Ob er den gleichen Erfahrungsstand hat wie
der Beigeordnete Mast-Weisz, der seit 13 Jahren die Bereiche Jugend, Soziales,
Gesundheit und Sport beackert hat und dann noch Kämmerer als I-Tüpfelchen
obendrauf , ... da müsste Siegfried sicher noch einiges dazu lernen, etwa im
Sozialbereich.
Pro NRW
im Rat der Stadt? Ich mag es mir gar nicht vorstellen, mir dort
künftig rechte Parolen anhören zu müssen. Aber wahrscheinlich wird es dazu
kommen. Weil es bei der Kommunalwahl die Drei- oder Fünf-Prozent-Hürde nicht
gibt. Eine Chance, die Rechten im Rat doch noch zu verhindern, wäre eine große
Wahlbeteiligung. Je größer, desto weniger könnte ein kleines Häuflein rechter
Verwirrter mit ihrer Stimme das Wahlergebnis beeinflussen. Mir wird schon übel,
wenn ich die Wahlplakate der Rechten an den Masten sehe. Oberbürgermeisterin
Beate Wilding fand dafür bei der Einweihung der Neuen Mitte Honsberg am
vergangenen Freitag das richtige Wort: Lügen haben lange Laternen! Gut, dass die
Mitglieder von Remscheid tolerant den Rechten Paroli bieten,wie am
Freitagnachmittag auf der oberen Alleestraße geschehen.
Initiative
zeigen, echten Bürgersinn! Grundsätzlich
sollten sich noch viel mehr Bürger/innen einmischen. Ich meine, in positivem
Sinne. In Vereinen und Initiativen, die Leben in die Stadtteile bringen. Dafür
gibt es schon eine ganze Reihe guter Beispiele: auf dem Rosenhügel, in
Lüttringhausen, auf dem Kremenholl, in Lennep (leider dort gleich zwei, die
sich nicht mögen) und jetzt aktuell ein neuer Verein mit Verbindungen zur
Esche. Das ließe sich noch ausbauen. Die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu
übernehmen, wächst. Ich meine, es lohnt sich, sich für diese Stadt einzusetzen.