von Bürgermeister Lothar Krebs
Der Rat der Stadt hat am 18.Juni dieses Jahres beschlossen, die seit 1954 bestehende Patenschaft zwischen Remscheid und dem früheren deutschen Landkreis Sensburg/ Ostpreußen in eine Partnerschaft mit dem heutigen polnischen Landkreis Mragowo zu überführen. Damit soll es 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs zum ersten Mal ein lebendiges Verhältnis zu den heutigen polnischen Einwohnern von Mragowo geben.
Bei vielen Remscheidern - vor allem der jüngeren Generation stellte sich in diesem Zusammenhang die simple Frage, warum die Entscheidung so spät kam, wo doch Remscheid schon 1971 partnerschaftliche Beziehungen zum französischen Quimper aufgenommen hatte und zum slowakischen Presov immerhin auch schon 1988, als der eiserne Vorhang noch Bestand hatte. Die Antwort auf diese einfache Frage ist dem komplizierten und leidvollen Verhältnis zwischen Deutschen und Polen geschuldet. Dabei bilden die Ereignisse der letzten 100 Jahre geradezu markante Ausrufungszeichen, nämlich wie das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes, aber auch von Minderheiten, mit Füßen ge-treten und gegenseitige Verachtung und Hass geschürt wurden. Vergessen wollen wir in diesem Zusammenhang nicht, dass eine derartige Unterdrückung in dem deutschen Überfall auf Polen 1939 ihren traurigen Höhepunkt erreichte, aber die Wurzeln der Diskriminierung in der Beseitigung des polnischen Staates bei den sogenannten polnischen Teilungen schon Jahrhunderte früher gelegt worden waren.
Die Flucht und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus ihrer angestammten Heimat ab 1945 wurden von den meisten Deutschen als Unrecht aufgefasst und nicht als Ergebnis des in ihrem Namen geführten 2. Weltkriegs. Das polnische Volk fürchtete sich wiederum vor einem deutschen Revanchismus.
Mit den Ostverträgen Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts begann sich in allen Köpfen der deutschen Bevölkerung die Erkenntnis durchzusetzen, dass Aussöhnung mit unseren Nachbarn im Osten nur auf der Grundlage der Ergebnisse des 2. Weltkriegs zu realisieren war, nämlich der Anerkennung der bestehenden Grenzen. Das ist mittlerweile der Bewusstseinsstand der Deutschen. Und dies ist glücklicherweise nicht der Schlusspunkt der Entwicklung.
Wir sehen in der Europäischen Union nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern die Grundlage für Friede und Freundschaft unter den europäischen Nachbarn mit einer gemeinsamen Zukunft. Politischer Streit und Interessenkonflikte wird es immer geben. Wir wollen diese Konflikte in Verhandlungen - notfalls vor europäischen Gerichten ausräumen und nicht durch die Anwendung von Gewalt.
Wir wissen, Friede und Freundschaft bekommt man nicht geschenkt. Beide Seiten die deutsche wie die polnische müssen stetig und immer aufs Neue daran arbeiten. Dazu dient auf kommunaler Ebene unsere neue Partnerschaft. Heute ist dies für die ältere Generation noch etwas Außergewöhnliches, morgen für die jüngeren Generationen eine europäische Normalität.