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Channel: Waterbölles - Kommunalpolitik
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Für offene Worte nicht erst nach Anatolien!

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Waterbölles-Kommentar

„‚Noahs Suppe‘ als Symbol für gesellschaftlichen Wandel“, titelte der Waterbölles am 1. Februar 2010. An diesem Tag wurde in Wuppertal,  Boltenheide 4, die private Ganztagsrealschule Boltenheide offiziell eröffnet. Die staatlich genehmigte Ersatzschule startete im Schuljahr 2009/2010 mit insgesamt 80 Schüler/innen in je zwei 5. und 6. Klassen (monatliche Schulgebühr damals: 190 Euro). Schulträger ist der als gemeinnützig anerkannte  Spektrum Bildungs- und Dialogverein e.V., der unter dem Vorsitz von Necattin Topel damals in Solingen und Remscheid vorzugsweise  Kindern und Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenhilfe anbot. Der Verein erhalte Spenden, bestätigte Necattin Topel damals auf dem Neujahrsempfang des Vereins in Remscheid, an dem auch Bürgermeisterin Monika Hein und Bürgermeister David Schichel, der Beigeordnete Dr. Christian Henkelmann und der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Jochen Siegfried teilnahmen.

Dass „Spektrum“ in dem Ruf stand, Teil des Netzwerkes des islamischen Gelehrten Fethullah Gülen zu sein, der weltweit mehrere hundert Privatschulen und Studentenheime gegründet hat, störte die Remscheider Kommunalpolitiker nicht. Dabei befürchteten schon damals Kritiker wie der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban von der Evangelischen Fachhochschule in Berlin „unter dem pseudo-modernistischen Lack eine islamistische Auffassung" (siehe auch Dokumentation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen).

Der Waterbölles-Bericht löste damals in der türkischen  „Community“ in  Remscheid eine kurze, aber heftige Diskussion aus, heute unter „Noahs Suppe“ nach wie vor zu lesen. Die Remscheider Moschee-Vereine hüllten sich in Schweigen. Das ist auch heute noch ihre unausgesprochene Devise. Beispiel: Die diesjährigen Wochen gegen Rassismus“ durch den Verein Remscheid Tolerant. e. V. Auf der Mitgliederversammlung am 28.Juni beklagte Martin Sternkopf, es sei auffällig, „dass sich islamische Kulturvereine und andere Migrantengruppen nicht mit eigenen Aktionen einbringen. Dies ist nicht allein bei Remscheid Tolerant so, sondern bei vielen Gelegenheiten zu beobachten, bei denen eine Mitwirkung wünschenswert ist.“ Inzwischen wurde  Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz gebeten, „bei der Motivation zur Teilnahme zu helfen“.

Ein offenes Wort zur rechten Zeit. Das thematisierte der Waterbölles gestern im Zusammenhang mit der für Oktober geplanten Reise einer Remscheider (Wirtschafts-)Delegation in die ostanatolische Partnerstadt Kırşehir. Zitat: „Wer so tut – auch in einer Partnerschaft zwischen Städten -, als ginge ihn die ‚große Politik derer da oben‘ nichts an, der verschließt die Augen vor der Wirklichkeit. Wo alles auf allen Ebenen so weiterläuft wie bisher, fühlen sich machtgierige Staatsführer ermutigt. Hier wäre auch auf kommunaler Ebene Anlass für das eine oder andere Signal der Besorgnis, des Unverständnisses, des Protestes.“

Damit war der Besuch in Kırşehir gemeint. Vor dem Hintergrund der von Schwarz-Weiß-Denken geprägten Diskussionen auf Facebook, an denen sich auch türkische Landsleute aus Remscheid beteiligen, teilweise recht hitzig, – hier die verabscheuenswürdige Gülen-Sekte, dort das „edle Volk“ der Türken (DITIB-Freitagspredigt) – muss ich heute einräumen: Dieser Gedanke war nicht zu Ende gesponnen. Denn für ein offenes Wort muss man nicht erst nach Anatolien fahren – wenn es schon bei uns in Remscheid angebracht erscheint. Da wird beispielsweise dem Grünen-Parteichef Cem Özdemir allen Ernstes „Hass auf die Türkei“ vorgeworfen. Weil er sich in "Bild am Sonntag“ für Sanktionen gegen die türkische Regierung ausgesprochen hat, falls diese ihren aktuellen Kurs nicht korrigiere und in der Türkei "Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte weiterhin außer Kraft gesetzt werden“. Motto: „Alle, die nicht für uns sind, sind gegen uns!“

Als ob es in dieser Gemengelage keine Grauzonen mehr gäbe. Von türkischen Mitbewohnern, die seit Jahrzehnten in Remscheid leben, hier scheinbar fest verankert und politisch organisiert, hätte ich verbale Angriffe dieser Art nicht erwartet. Da besteht Diskussionsbedarf. In aller Offenheit. Stillschweigen hilft nicht weiter in einer Stadt, die sich bei offiziellen Gelegenheiten so stolz gibt auf ihre 110 Nationalitäten und ihre Integrationserfolge.


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