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Channel: Waterbölles - Kommunalpolitik
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Die Delegation und ihren Auftrag bitte überdenken!

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Waterbölles-Kommentar

„Kırşehir: Gerade jetzt auf Dialog setzen!“, überschrieb der Waterbölles heute eine Pressemitteilung des SPD-Unterbezirks Remscheid und ergänzte sie um eine Stellungnahme von Superintendent Hartmut Demski,  zugleich Vorsitzender des Freundschaftsvereines Remscheid- Kırşehir e.V.

In einer Tageszeitung habe ich diese Woche eine Karikatur gesehen: Erdogan geht auf einer Straße. Hinter ihm auf dem Asphalt viele rote Striche und vor ihm eine weitere „rote Linie“. Die pinselt ein Vertreter der Europäischen Union. Der sagte sinngemäß, diese rote Linie sei nun wirklich die letzte, die Erdogan nicht auch noch überschreiten dürfe.

Den Ausnahmezustand hat Erdogan schon ausgerufen. Jetzt geht es um die (teilweise?) Aussetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Was in dieser Situation meines Erachtens nicht geht, ist „business as usual“, auf EU- und NATO-Ebene ebenso wie auf der einer Städtepartnerschaft. Auch ein offizieller Partnerschaftsbesuch, der diesmal der Vertiefung wirtschaftlicher (!) Beziehungen dienen soll, wäre in dieser Situation fehl am Platz. Solche Beziehungen sind in normalen Zeiten gut und wichtig. Aber die Türkei erlebt gerade alles andere als das; ihr droht der Wandel von einer Demokratie zu einer Diktatur. Das gilt es – unter Freunden – offen anzusprechen. Da reicht es dann nicht, wie vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Jens Peter Nettekoven gefordert, die Remscheider Delegation dürfe nicht nur aus Vertretern von Verwaltung, Politik und Wirtschaft bestehen, sondern müsse um einen Vertreter der Kirchen oder einer „Nichtregierungs-Organisation“ ergänzt werden, der, Zitat „für die Werte unserer Zivilgesellschaft steht“. Der allein?! Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solcher Vertreter zur Verfügung stünde – quasi das Deckmäntelchen liefernd, unter dem sich dann fleißig, wie vorgesehen, Wirtschaftsfragen erörtern ließen.

Wer so tut – auch in  einer Partnerschaft zwischen Städten -, als ginge ihn die „große Politik derer da oben“ nichts an, der verschließt die Augen vor der Wirklichkeit. Wo alles auf allen Ebenen so weiterläuft wie bisher, fühlen sich machtgierige Staatsführer ermutigt. Hier wäre auch auf kommunaler Ebene Anlass für das eine oder andere Signal der Besorgnis, des Unverständnisses, des Protestes. Da wäre dann auch die Absage einer vereinbarten Besuchs denkbar.

Andererseits: In der Situation, in der sich die Menschen in der Türkei befinden, das Gespräch mit Betroffenen zu suchen, ihnen unsere Solidarität zu bekunden, das wäre gut und angemessen. Auch in Kırşehir haben sicherlich Akademiker eine ungewisse Zukunft vor sich nach der Entlassung/Suspendierung Tausender von Wissenschaftlern im ganzen Land und Ausreiseverboten. Einmischung in „innere Angelegenheiten“ der Türken? Die Alternative wäre, den Besuch in Kırşehir zu verschieben, bis die Türkei wieder zur Demokratie zurückgekehrt ist. Damit würden wir aber unsere Freunde in Kırşehir bis dahin im Stich lassen. Da wäre mir eine personell neu zusammengestellte Delegation mit klar geändertem Auftrag doch lieber.


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