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Stimmungsbarometer zeigte zwei Drittel für Große Koalition

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51 Remscheider SPD-Mitglieder diskutierten am Samstag in der Sophie-Scholl-Schule den Koalitionsvertrag. Foto:Lothar Kaiser

Noch bis zum 12. Dezember läuft die Befragung der rund 470.000 SPD-Mitglieder zum ausgehandelten Vertrag von CDU/CSU und SPD über die Bildung einer Koalition auf Bundesebene. Bis zum vergangenen Samstag hatten bereits 42 Prozent aller Parteimitglieder ihr Votum pro oder contra abgegeben. Als der Remscheider SPD-Unterbezirksvorsitzende Sven Wiertz gegen 14 Uhr in der Mensa der Sophie-Scholl-Schule die 50 erschienen Mitglieder nach einstündiger Diskussion zu einer geheime Probeabstimmung einlud, waren die Jungsozialisten auf ihrem Bundeskongresses in Nürnberg noch mitten in einer hitzigen Diskussion über den Koalitionsvertrag. In Remscheid stimmten am Samstag 33 SPD-Mitglieder mit Ja und 17 mit Nein bei einer Enthaltung. Das entspricht einem Quorum von 65 Prozent für eine schwarz-rote Koalition im Bund. In Nürnberg wurde am späteren Samstagnachmittag der Koalitionsvertrag mit Mehrheit abgelehnt, weil darin ein tragfähiges Finanzierungskonzept für Zukunftsinvestitionen nicht erkennbar sei. Ein Politikwechsel sei im Bündnis mit der Union nicht möglich. Der Ausgang der Mitgliederbefragung scheint also noch offen.

Eine möglichst hohe Beteiligung an der Befragung war der Wunsch mehrerer Remscheider SPD-Mitglieder, die sich am Samstag an der Diskussion beteiligten. Insgesamt waren es nur wenige, die sich noch zu Wort meldeten, nachdem der Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Manfred Zöllmer in einer längeren Rede für ein Ja zu einer Großen Koalition plädiert hatte. Die meisten Diskussionsteilnehmer stimmten Zöllmer ausdrücklich zu. Die übrigen, die auch Schwachstellen des Vertrages benannten, ließen ihre Entscheidung beim geheimen „Stimmungsbarometer“ offen (mit einer Ausnahme aus dem SPD-Ortsverein Lüttringhausen). Da musste es später überraschen, dass jede(r) Dritte mit Nein gestimmt hatte. Sven Wiertz ging darauf allerdings nicht explizit ein, sondern betonte lieber allgemein die Rechtsgültigkeit der Mitgliederbefragung: „Im Grundgesetz ist eine direkte Demokratie gewollt!“

„Ich kenne keinen, der aus vollem Herzen erklärt: ‚Ich will eine Große Koalition!“, räumte Zöllmer ein. Dabei werde es sich nicht um eine Liebesheirat handeln, sondern nur um eine Vernunftehe. Aber im Gegensatz zur ersten Großen Koalition (Merkel/Schröder) fänden sich diesmal im Koalitionsvertrag viele SPD-Positionen wieder (Mindestlohn, Abbau der Leiharbeit, Tarifbindung, Ost-West-Ausgleich der Renten, Kita-Ausbau, abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren). Leider sei es nicht gelungen, auch eine größere Steuergerechtigkeit festzuschreiben (ein Kritikpunkt der Jusos) und das Betreuungsgeld sowie die Maut zu kippen. Letztere sei aber an unerfüllbare Bedingungen geknüpft und werde sich deshalb von selbst erledigen. Zöllmers Fazit: „Wenn wir das umsetzen, was in dem Vertrag steht, wird es den Menschen in Deutschland besser gehen!“

Bei einem ablehnenden Votum der SPD-Mitglieder werde Merkel mit den Grünen über eine Koalition reden oder – wahrscheinlicher – gleich Neuwahlen anstreben. Dann bekäme die SPD sicherlich das Unverständnis der meisten Bürger zu spüren. „Die Mehrheit will die Große Koalition!“ Und, ein Zusammengehen von CDU/CSDU und Grünen mal angenommen: „Was für eine Oppositionspolitik bliebe der SPD denn noch, wenn die Grünen wichtige SPD-Positionen aus dem Koalitionsvertrag übernehmen würden?!“ Kommentar der IG Metall-Sekretärin Christine Krupp: „Mitregieren ist allemal besser!“ Und Klaus Ellenbeck, Vorsitzender des Personalrates der Stadtverwaltung, meinte: „Es bleibt gar nichts anderes übrig!“ Nadine Gaede von den Jusos blieb eher unbestimmt, als sie im Koalitionsvertrag Defizite bei der Bildungspolitik bemängelte.

Dass die finanzschwachen Kommunen von der Großen Koalition Rückenwind erwarten könnten, betonten der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Peter Meinecke und sein Stellvertreter Sven Wolf. Denn: „Von jeder Milliarde, die im Bund für den Kita-Ausbau, die soziale Sicherung oder die Stadtentwicklung bewilligt wird, kommen 1,5 Millionen Euro in Remscheid an!“ Lothar Krebs bekannte, er habe bei Beginn der Koalitionsverhandlungen zu den Skeptikern gehört. Aber die SPD habe darin als „zugegeben nur Juniorpartner sehr viel erreicht“. Den Vertrag nun abzulehnen würde nicht nur einem Misstrauensvotum der Parteibasis am Geschäftsführenden Vorstand der SPD gleichkommen, sondern hätte auch „verheerende Auswirkungen auf die Ergebnisse der nächsten Wahlen in den Bundesländern“. In Nürnberg betonte die neue Bundesvorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation eine Stunde später, ein Nein zum Koalitionsvertrag bedeute noch kein Nein zur SPD-Parteispitze.

Am 15. Dezember soll das für die Parteispitze verbindliche Ergebnis der Mitgliederbefragung vorliegen.


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