Auf den ersten Blick geht es beim Bebauungsplan 650 für das Gebiet der Karl-Evang-Straße in Lennep nur um einen Teil einer Grünzone, angrenzend an Einfamilien- und Reihenhäuser. Der soll einem ca. 18 mal 18 Meter großen Wohnhaus mit fünf Wohnungen und zehn Parkplätzen weichen. Doch auf den zweiten Blick geht es um mehr auch und gerade für die Anlieger. Es geht um die Wohnungsbaupolitik der Stadt Remscheid im Zeichen eines unaufhaltsamen Bevölkerungsrückgangs und eines als notwendig erkannten Klimaschutzes. Zu den rund 40 Bürgerinnen und Bürgern, die gestern Abend der Einladung des städtischen Fachdienstes Bauen, Verwaltung, Kataster zur (im Rahmen des Bauleitverfahrens vorgeschriebenen) vorzeitigen Bürgeranhörung in die Aula der Freiherr-vom-Stein-Realschule in Lennep gefolgt waren, gehörte Gabriele Lipka, Vorsitzende des Remscheider Landschaftsbeirates. Nachdem Planerin Anja Meier von einer durchaus attraktiven durchgrünten Fläche gesprochen hatte, wunderte sich Lipka unter starkem Beifall: Für ein solches Bauvorhaben eine Grünfläche zu versiegeln, ist wenig zeitgemäß. Das steht im Widerspruch zum Klimaschutz und zum Wohnungspolitischen Handlungskonzept der Stadt. Dass Remscheid in den nächsten Jahren weiter Einwohner verlieren wird, wissen Rat und Verwaltung. Einwand von Planerin Sabine Strüwe-Rosenbaum: Aber viele Wohnungen entsprechen nicht mehr heutigem Standard! Gegenrede von Lipka: Das rechtfertigt aber keinen Bau in einem Grüngebiet! Auch kritisierte sie das beschleunigte Planverfahren nach § 13a des Baugesetzbuches, der in Remscheid sehr häufig bei kleineren Plangebieten angewendet wird (Beispiel Königstraße). Da könne der Naturschutz allzu leicht das Nachsehen haben.
Auf Nachfrage aus dem Plenum bestätigte Norbert Schauerte-Lüke, Sachverständiger für Umweltverträglichkeitsstudien und Artenschutzprüfungen, dass er in dem Plangebiet eine starke Population von Zwergfledermäusen und auch einige artverwandte Große Abendsegler festgestellt habe. Aber: Noch liegt die endgültige Artenschutzprüfung nicht vor, die die Verwaltung bei der Endgültigen Aufstellung des Bebauungsplanes berücksichtigen müsste. Und was werden wir auch, so Strüwe-Rosenbaum. Sie betonte ferner, dass es sich entgegen anderslautender Vermutungen um keine Start-Bebauung handele. Vielmehr werde der nicht für den Neubau benötigte Teil des baumbestandenen Grüngürtels in den Bebauungsplan aufgenommen, gerade um ihn langfristig zu sichern: Der Siefen soll erhalten bleiben, weil daraus der Lenneper Bach gespeist wird!
Doch da hatte so mancher Bürger seine Zweifel. Planungen könnten sich ändern. Schließlich sei vor Jahren auch nur von drei Doppelhäusern die Rede gewesen, die sich weitaus besser in das Umfeld eingepasst hätten. Ursula Czylwik (SPD), die in Vertretung von Dr. Heinz-Dieter Rohrweck die Anhörung leitete, bemerkte dazu: Was die Generation unserer Kinder in 20 Jahren mit dem Gelände machen wird, kann heute noch niemand sagen!
Bezweifelt wurde gestern Abend auch, dass der Flächennutzungsplan aus dem Jahre 2010, der angrenzend an den Wendehammer der 170 Meter langen Karl-Evang-Straße eine Wohnbebauung vorsieht, von Stadtverwaltung und Architekt exakt eingehalten werde. Patrick Baier, der sich zusammen mit seiner Frau Christina auch in einer schriftlichen Eingabe an die Stadt gegen den Bebauungsplan ausgesprochen hatte: Der Vergleich des Flächennutzungsplans mit dem Planentwurf des Bebauungsplanes spricht dafür, dass die bebaute Fläche doppelt so groß werden wird! Ob denn da wohl alles mit rechten Dingen zugegangen sei? Ja, sagte Fachdienstleiter Jörg Schubert, räumte aber ein, dass der Eindruck einer größeren Baufläche dadurch entstehen könne, dass der Flächennutzungsplan im Gegensatz zum Bebauungsplan nicht parzellenscharf dargestellt ist.
Strittig ist auch die Größe des geplanten Neubaus. Dass ein viergeschossiges Haus sich für den Betrachter als sechsgeschossig darstellen kann, ist seit dem vergangenen Jahr an der Ahornstraße zu besichtigen. Um diesen Bau gab es im Vorfeld in der Bezirksvertretung Süd lange Diskussionen. Der Bau an der Karl-Ewald-Straße sei mit zwei Vollgeschossen geplant, hieß es gestern. Doch bei der Hanglage zählt das Kellergeschoss optisch ebenso mit wie das teilausgebaute Dachgeschoss macht für den Betrachter aus zwei vier. Auf entsprechende Bedenken sagte gestern Planerin Sabine Strüwe-Rosenbaum, die Trauf- und Firsthöhen des Neubaus zur Arrondierung der vorhandenen Wohnbebauung seien im Planentwurf noch gar nicht genannt; diese hingen auch von der umgebenden Bebauung ab.
Was bisher berichtet wurde Samstag, 23. Juni 2012: Bauprojekt Evangstraße: Anwohner kommen zu Wort
Genau das aber wird in der schriftlichen Eingabe von Ulrich und Andrea Stein bezweifelt: Trotz des 1,5 bis drei Meter tiefer gelegenen Baugrunds orientiert sich die Höhe des Gebäudes an weiter entfernt liegenden Gebäuden auf höher gelegenem Baugrund und überragt damit die angrenzende Bebauung um mindestens sechs Meter. Umfang und Höhe des Baukörpers orientieren sich in keinster Weise an die angrenzende Bebauung. Vielmehr wäre dieser Baukörper die mit Abstand größte und höchste Bebauung des gesamten Bereiches. Den bestehenden Häusern Karl-Evang-Str. 38 und 40 würde durch den geplanten Baukörper das gesamte Tageslicht genommen. Der Neubau sei damit kaum zumutbar. Die Rechtmäßigkeit des Planes bestreiten die beiden Anwohner allerdings nicht.
Montag, 28. Mai 2012: Neuer Bebauungsplan für Bauprojekt mit fünf Wohnungen
Von Seiten der Stadtverwaltung wurde gestern mehrfach betont, Ziel der Planung sei eine verträgliche, allen Belangen gerecht werdende eingeschränkte bauliche Entwicklung in diesem Bereich. Hier sei die Verwaltung im Übrigen auf der Grundlage des Ratsbeschlusses zur Aufstellung des Bebauungsplans nur ausführendes Organ. Und der Bebauungsplan sei nur die logische Konsequenz aus den Prämissen des Flächennutzungsplanes.
Waterbölles-Kurzkommentar: Wer wirklich Einfluss nehmen will auf die städteplanerische Entwicklung seiner Stadt, kommt nicht umhin, sich den Entwurf eines neuen Flächennutzungsplans genau anzusehen. Hat er der Rat der Stadt diesen erst einmal beschlossen und die Verwaltung richtet sich in ein paar Jahren später mit einer konkreten Planung danach, kommt jede Grundsatzdiskussion zu spät. Und noch etwas sei zur gestrigen Diskussion angemerkt bei allen Verständnis für die persönliche Betroffenheit einiger Anlieger: Zur Diskussionskultur gehören keine Zwischenrufe! Sie zwangen Ursula Czylwik mehrere Male zu der dringenden Bitte, den Redner / die Rednerin doch bitte ausreden zu lassen. Wir sind doch alles erwachsene Menschen! Gefruchtet hat es leider wenig. Für die heutige Bürgeranhörung in Sachen Designer Outlet-Center im Forum Hackenberg lässt das nichts Gutes erwarten. Sie soll der Information dienen, speziell zu Verkehrsfragen. Doch wie es heißt, werden interessierte Bürger dazu Anti-DOC-Transparente mitbringen. Merke: Ihre Meinung scheint auch ohne diese Informationen schon festzustehen.