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Stadt will 104 Mitarbeiter des BAF e.V. übernehmen

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Zu einer Sondersitzung kommt der Rat der Stadt Remscheid am kommenden Montag, 18. März, um 16.30 Uhr im großen Sitzungssaal des Rathauses zusammen. Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz hat die Sitzung auf Antrag der CDU-Fraktion einberufen. Begründung der CDU: Die Ratsfraktionen und -gruppen seien dringend über die strategische Ausrichtung der Unterbringung von Flüchtlingen in Remscheid zu informieren. Denn die Stadtverwaltung, die in den vergangenen Jahren aus Kostengründen mühsam Personal eingespart hat, soll auf einen Schlag um mehr als 100 Mitarbeiter größer werden. Derzeit sind sie noch beim BAF e.V. (Begegnen, Annehmen, Fördern) beschäftigt, der seit 1996 mit der Hausverwaltung der städtischen Übergangsheime und der Betreuung der Flüchtlinge betraut ist. Doch dem wirf die Stadt Strukturlosigkeit (um nicht zu sagen organisatorisches Chaos) vor und will ihm deshalb kündigen.

Darüber hatte der OB das am vergangenen Samstag in seinem Dienstzimmer Vertreter der Politik informiert und für die reguläre Ratssitzung am 28. März einen Beschlussvorlage angekündigt, die zu den 104 neuen Verwaltungsmitarbeiter/innen führen soll. Weil beim BAF e.V. ad hoc die Reißleine gezogen werden müsse. Der eigenständige Verein, gegenwärtig noch Arbeitgeber der104 Beschäftigten (davon 70 in Vollzeit, drei in Teilzeit und 31 geringfügig beschäftigt), ist in den vergangenen Jahren mit der Zahl der Flüchtlinge so groß geworden, „dass eine Fortführung der Aufgabenwahrnehmung nur unter erheblichen organisatorischen Veränderungen und einer grundsätzlichen Neuausrichtungen möglich ist“. Das hat eine „prozessorientierte Organisationsuntersuchung“ zu den Strukturen und Arbeitsabläufen innerhalb des BAF e. V. ergeben, um die die Stadt Remscheid im vergangenen Jahr die Stadt Solingen gebeten hatte unter Beteiligung des eigenen Rechnungsprüfungsamtes.

Der Vertrag zwischen Stadt Remscheid und BAF (“Heimleitungsvertrag“) zwecks Verwaltung der städtischen Übergangsheime für asylbegehrende Ausländer, Kriegsflüchtlinge sowie Aussiedler (ausländische Flüchtlinge) einschließlich deren sozialpädagogischer Betreuung datiert auf den 3. Januar 1996. Im Laufe der Jahre wurde der Vertrag mehrfach geändert und an die jeweils aktuelle Flüchtlingssituation in Remscheid angepasst. Parallel dazu besteht für die Notschlafstelle Schüttendelle ein gesonderter Vertrag. Zuletzt wurde der Heimleitungs- und Dienstleistungsvertrag am 8. August 2012 unter anwaltlicher Begleitung neu gefasst, mit Nachtrag vom 9. Januar 2015. 2012 registrierte die Stadt sinkende Flüchtlingszahlen. Damals beschäftigte der BAF e. V. gerade mal 37 Mitarbeitende. Die Personalkostenabrechnung wird durch einen Treuhänder über ein Treuhandkonto vorgenommen unter Einbeziehung eines Steuerberaters. Die Abrechnungen zur Überprüfung erhält die Stadt vom Verein quartalsweise.

Das alles blieb bis 2015 überschaubar. Doch ab dann weitete sich „das Auflagenvolumen des Vereins ... extrem aus. Bestehende Arbeitsprozesse ... konnten aufgrund der kontinuierlich steigenden Flüchtlingszuwanderung weniger systematisch entwickelt werden. Innerhalb kürzester Zeit mussten neben den drei bestehenden Übergangsheimen fünf zusätzliche Übergangsheime sowie Hunderte von Wohnungen betreut werden.“ So steht es in einer Presseerklärung, die Oberbürgermeister Mast-Weisz gestern Abend gegen 19.15 Uhr den anwesenden fünf Journalisten übergab. Mit diesem Termin hatte er kurzfristig auf die Ankündigung der CDU reagiert, am Donnerstagmorgen eigenständig die Presse über die geplanten Personalmaßnahmen informieren zu wollen. Seine Bitte, diesen Termin zu verschieben, da für Montag zunächst die BAF-Mitarbeiter von dem anstehenden Wechsel ihres Arbeitgebers erfahren sollten, habe der CDU-Fraktionsvorsitzende nach Rücksprache mit seinen Vertretern Markus Kötter und Tanja Kreimendahl abgelehnt, berichtete der OB gestern Abend – und zeigte sich verwundert. Schließlich habe beim Hintergrundgespräch mit der Politik am Samstag keiner der Anwesenden widersprochen, als er von der Absicht der Stadt berichtet habe (vorbehaltlich eines Ratsbeschlusses am 28.März), die Verträge mit dem BAF e. V. ordentlich zum 31.März zu kündigen, um den Vertrag zum 31. Dezember auslaufen lassen zu können. Und auch nicht der für diesen Termin geplanten Übernahme des BAF-Personals in den städtischen Stellenplan mit allen Rechten und Pflichten städtischer Mitarbeiter. Rechtsdezernentin Barbara Reul-Nocke dazu einschränkend: „Aber Schweigen heißt nicht immer Zustimmung!“

Und so musste der OB das Gespräch mit der BAF-Belegschaft auf morgen Abend vorverlegen und die Presse auf die Schnelle ins Bild setzen, um noch halbwegs Herr der Verfahrens zu bleiben und der CDU das Feld nicht allein zu überlassen. Obwohl die Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 28. März noch gar nicht fertig geschrieben ist, die CDU darauf also heute nicht Bezug nehmen kann! Über deren Beweggründe wurde folglich gestern Abend spekuliert. Will sie aus der „Zwangsmaßnahme“ politisches Kapital schlagen oder diese gar gänzlich verhindern? Letzteres hält der OB nicht für möglich; er geht von einer deutlichen Ratsmehrheit aus für die Beschlussvorlage der Verwaltung. Zumal die Bezirksregierung Düsseldorf dagegen bei den anstehenden Haushaltsgesprächen keine Einwände erhoben habe. Und in einem Gespräch kurz vor der gestrigen Pressekonferenz habe er den Betriebsratsvorsitzenden der BAF, Mitglieder des Vorstands, die BAF-Geschäftsführerin Daniela Krein und einen Vertreter des Personalrates der Stadt Remscheid informiert, berichtete der OB, und diese hätten das geplante Vorgehen ausdrücklich begrüßt.

Mit Daniela Krein sprach der Waterbölles heute Morgen gegen 9.30 Uhr am Telefon. Für sie hatte sich die Arbeitssituation schon 2016 drastisch verändert: „Damals habe ich mich zum ersten Mal beim Vorstand wegen Arbeitsüberlastung gemeldet!“ Seitdem habe dieser an einer Änderung der Satzung gearbeitet mit dem Ziel, ihr mehr Handlungsspielraum zu geben. Mehrere Entwürfe habe es gegeben, die „viel Zeit und Kraft gekostet“ hätten, die aber alle als wenig zielführend verworfen worden seien. Hinzu kam offenbar, wie der Oberbürgermeister gestern berichtete, dass die Mitglieder des (von Norbert Horn geführten) Vorstands nicht alle an einem Strang gezogen und ein Teil von ihnen mit Daniela Krein nicht richtig zusammengearbeitet hätten. In der Presserklärung liest sich das so: „Aus der Struktur des aktuellen Vertrags ergeben sich erhebliche Defizite und Risiken für die Stadt Remscheid. (...) Die Geschäftsführung ist ... nicht entsprechend bevollmächtigt, die Geschäfte des Vereins zu führen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Aufgabenerledigung und die Funktion des Vereins als Arbeitgeber. (...) Es bestehen nur sehr eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten und Möglichkeiten auf eine ordnungsgemäße und effektivere Aufgabenerfüllung Einfluss zu nehmen. (...)Aufgrund der derzeitigen Zusammensetzung des (am 24. November 2018 neu gewählt) Vorstandes bestehen seitens der Stadt Remscheid erhebliche Bedenken, dass der Vorstand seinen satzungskonformen Aufgaben nachkommen und die Geschäfte des Vereins ordnungsgemäß führen kann. Dies wurde von zwei Vorstandsmitgliedern bestätigt.“ Fazit der Verwaltung: „Die Aufgabe der Unterbringung und Betreuung ausländischer Flüchtlinge kann unter den bestehenden Voraussetzungen mit dem Vertragspartner BAF e. V. nicht mehr adäquat erbracht werden.“ Dafür gibt die Stadt pro Jahr entsprechend der vertraglichen Verpflichtung für Betriebsmittel und Personalaufwendungen ca. 3,5 Millionen Euro aus. Hierdurch entstünden ihr „erhebliche finanzielle Risiken“, räumte der OB ein. Den BAF-Mitarbeitern selbst machte er keine Vorwürfe. Die hätten "stets gute Arbeit geleistet".

Was also tun? Einen neuen Verein suchen? Bei dieser Auftragssumme hätte eine Ausschreibung europaweit erfolgen müssen - mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten. Das schied aus! Nachdem die Stadt Solingen im Februar ihren Prüfbericht abgegeben hatte, holte sich der Remscheider Verwaltungsvorstand Rat bei Anwälten. Und der lautete, die Stadt müsse die Pflichtaufgabe der Unterbringung und Betreuung ausländischer Flüchtlinge kurzfristig selbst sicherstellen, indem alle Mitarbeitenden des BAF e. V. zeitnah in die Organisationsstruktur der Stadt Remscheid integriert werden. Dies gilt auch für den Betreuungsvertrag zur Notschlafstelle Schüttendelle.  Der Oberbürgermeister: „Die Altersstruktur der Mitarbeitenden des BAF e. V. würde es der Stadt Remscheid ermöglichen, auf einen eventuell notwendigen Personalabbau (z. B. bei Schließung von Übergangsheimen) ausschließlich im Rahmen der Altersfluktuation zu reagieren. Kostensteigerungen werden sich aus den neuen städtischen Mitarbeitern nicht ergeben!“ Im Gegenteil: Aus einer einheitlichen IT und Nachrichtentechnik, Personalverwaltung, Materialbeschaffung, einheitlichem Rechnungswesen und  Controlling, klaren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten und durch einen Abbau von Doppelstrukturen (Sicherheitsfachkraft, Betriebsarzt, Treuhänder, Datenschutzbeauftragter) würden sich Synergieeffekte ergeben. Im Übrigen, so Barbara Reul-Nocke ergänzend, sei demnächst die Gründung einer städtischen Tochter-GmbH oder eines städtischen Eigenbetriebes zur Betreuung der Flüchtlinge nicht ausgeschlossen. Letzter Satz des OB: „Hauptsache, wir bekommen klare Strukturen!“ Darauf hofft BAF-Geschäftsführerin Daniela Krein schon lange...


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