Wenn am 1. Julio der neue Rat der Stadt Remscheid zu seiner konstituierenden Sitzung im Rathaus zusammenkommen wird, werden die bunten Fahnen von Remscheid Tolerant nicht nur wie schon seit vielen Monaten im Großen Sitzungssaal des Rathauses hängen, sondern auch auf dem Rathausplatz. Sie sollen dokumentieren, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt in ihrer großen Mehrheit für ein friedliches und verständiges Zusammenleben aller Nationen und Kulturen eintreten und dass alle demokratischen Parteien im Rat sich einer menschenfeindlichen, ausgrenzenden Kommunalpolitik, wie sie sich im Wahlkampfder rechtsradikalen Partei ProNRW angedeutet hat (Minarett-Verbot), widersetzen werden. Das ist die eine Botschaft für die beiden neuen Ratsmitglieder von ProNRW, Andre Hüsgen und Thorsten Michael Pohl. Die andere: Mit eisigem Gegenwind müssen sie nicht nur im Stadtparlament rechnen, sondern auch bei den vielen Verbänden und Institutionen, die hinter dem Aktonsbündnis Remscheid Tolerant stehen und dem gleichnamigen eingetragenen Verein, der seit dem 17. Januar besteht und derzeit 17 Mitglieder hat. Er war gegründet worden, um Spenden ordnungsgemäß einnehmen und dafür auch steuerlich absetzbare Quittungen ausstellen zu können. In der Praxis wird das so aussehen: Der Verein finanziert durch eingeworbene Spenden die Aktionen des Bündnisses.
Wer Ideen hat, kann einen Antrag stellen, lautete gestern die
Aufforderung von Werner Fußwinkel an alle echten Demokraten, die Arbeit des
Bündnisses durch Aktionen zur Völkerverständigung zu unterstützen. Fußwinkel gehört
dem Vorstand des Vereins Remscheid Tolerent aus stellvertretender
Schriftführer an. Vorsitzender ist Martin Sternkopf, im Hauptberuf Leiter Fachdienst Migration bei der Stadt
Remscheid, sein
Stellvertreter ist der pensionierte evangelische Pfarrer Johannes Haun,
Schriftführerin ist Dara Franjic-Homberg vom Caritasverband Remscheid. Gemeinsam
hatten sie für gestern Nachmittag zu einer öffentlichen Hauptversammlung in den
Großen Sitzungssaal des Rathauses eingeladen, um in der Presse geäußerte
Zweifel über die sachgemäße Verwendung von Spendengeldern in der Zeit seit der
Gründung des Aktionsbündnisses auszuräumen.
Das war, sofern überhaupt möglich, schnell geschehen: Nach
Abzug sämtlicher Ausgaben waren von eingesammelten Spenden bei der Caritas noch
2.292,78 Euro übrig und bei der Ökumenischem Initiative Lüttringhausen
e.V. 355,09 Euro. Diese Gelder wurden an den neuen Verein überwiesen. Bei
der Arbeiterwohlfahrt Remscheid (AWO) seien die Ausgaben höher gewesen als die
eingesammelten Spenden, weshalb von dort mit keiner Überweisung zu rechnen sei,
sagte Martin Sternkopf. Allerdings sei Norbert Horn, der bei der AWO
Verantwortliche, erkrankt und nicht zu erreichen. In der Vereinskasse seit dem
12. Februar existiert bei der Stadtsparkasse ein eigenes Girokonto befinden sich
gegenwärtig noch 1.827,20 Euro. Für die Aktion Kino Woanders waren der Caritas 100 Euro gespendet worden,
236,81 waren für Schablonen ausgegeben worden, um das Signet von Remscheid
Tolerant mit Waschkreide bei einer Demonstration gegen ProNRW auf das Pflaster von dem
Alleecenter sprühen zu können, mit 148 Euro wurde eine schon lange ausstehende
Rechnung des Vereins Bildung statt Ausgrenzung beglichen, und 335,86 Euro
wurden ausgegeben für 1.000 neue Buttons Remscheid Tolerant. Kassenprüfer
Fritz Beinersdorf bestätigte dem Vorstand eine ordnungsgemäße Kassenführung.
Der daraufhin gestellte Antrag auf Entlastung des Vorstandes wurde angenommen.
Zuvor hatte Vereinsmitglied Ute Feldbrügge, die Geschäftsführerin des Paritätischen
in Remscheid, nach der Verwendung der Spendengelder bei AWO, Caritas und Ökumenischer Initiative gefragt. Antwort von
Werner Fußwinkel: Diese seien autonome Vereine, und auch dort seien Kassenprüfer
regelmäßig tätig...
Die neu angeschafften Buttons werden voraussichtlich alle
neue Ratsmitglieder (außer zweien) am 1. Juli am Revers tragen, wenn sie aus
dem Foyer des Theaters in den Ratssaal gehen. Der Empfang der Religionen, vor
der ersten Ratssitzung im Theater geplant, soll ein weiteres Signal an rechten Neulinge
im Stadtparlament sein: Wir wollen keinen braunen Sumpf in Remscheid! Dafür
will der Verein Remscheid Tolerant die beim Aktionsbündnis bestehende, aber
in letzter Zeit nicht mehr gepflegte Internetseite wieder aktivieren und eventuell sogar zu
einem öffentlichen Diskussionsforum ausbauen. Auch soll die
Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und die Lenkungsgruppe des Aktionsbündnisses reaktiviert
werden.
Diskutiert wurde gestern über längere Zeit die Frage, wie man
als Demokrat am besten mit den Rechten umgeht. Für öffentlichkeitswirksame Proteste
und Aktionen plädierten Vertreter der Gewerkschaft ver.di; andere empfahlen,
die Rechten im Rat totzuschweigen.- Was denken Sie: Wie sollen Stadträte und
Kreistage mit Abgeordneten rechtsextremer Parteien umgehen? Ist es richtig, sie
zu isolieren, oder ist die Diskussion mit ihnen notwendig und wichtig? Wie kann
es politisch gelingen, rechtsextreme Parteien langfristig auszuschalten?, war
heute Vormittag auf WDR 5 das Thema des Tagesgesprächs. Viele Anruferinnen
und Anrufer empfahlen den demokratischen Parteien, sich mit den Parolen von ProNRW cool, kritisch und unaufgeregt auseinanderzusetzen
und die Vertreter dieser Partei in den Räten sachlich auszubremsen. Dafür hatte gestern
Abend im Ratssaal auch die Mehrheit der Anwesenden plädiert.