Waterbölles-Kommentar


Um kurz vor 19 Uhr sah ich die Pressemitteilung der Stadt und den Video-Bericht des Waterbölles: Noch heute Abend (3.9.) findet kompletter Belegungswechsel in der Notunterkunft Leverkuser Straße statt. Kurz darauf klingelte mein Handy Wer kann in der Pestalozzischule helfen, wir brauchen dringend noch helfende Hände. Da war schon der erste Gedanke: Wer denkt sich denn so einen Unfug aus? Flüchtlinge, die sich gerade eingelebt haben, werden aus ihrem Umfeld gerissen. Ohne Vorankündigung. Mit minimaler Vorlaufzeit. Wie soll das gehen? Also rein ins Auto und ab nach Lennep.
Was ich vor Ort erlebt habe, hat mir wirklich das Herz zerrissen. Ehrenamtliche Helfer stehen traurig und geschockt am Bus, der die letzten Flüchtlinge abholt. Wohin? Das weiß keiner so genau. In der Unterkunft tun die Helfer ihr Bestes um Betten abzuziehen, zurückgelassene Kleidung einzusammeln, durchzukehren, frische Bettwäsche auf das Bettzeug zu ziehen. Man kommt ins Gespräch. Sehr eindringlich schilderten mir Helfer, wie vollkommen geschockt Flüchtlinge und Ehrenamtler waren, als die Nachricht kam. Dann hieß es so schnell wie möglich so viel wie möglich in ein einziges Gepäckstück pro Person zu packen (für mehr war kein Platz in den Bussen), Helfer und Flüchtlinge lagen sich zum Abschied in den Armen.
Kurz nachdem dir ersten Zimmer fertig waren, kamen auch schon die ersten neuen Flüchtlinge, diese mussten registriert werden, bekamen etwas zu essen, zu trinken, bezogen ihre vorübergehende Unterkunft.
Auf dem Weg nach Hause packt mich die Wut, die Trauer, die Fassungslosigkeit. Was denkt man sich eigentlich dabei, Menschen ohne Vorwarnung durch das halbe Land zu karren, um dann andere Menschen durch das halbe Land hierhin zu karren? Und diese Wortwahl ist durchaus bewusst gewählt. Man wird das Gefühl nicht los, als würden Menschen hier wie Ware behandelt, welche man mal ein bisschen durch die Gegend schieben kann, weil es einem von der Logistik her besser passt. Das ist absolut unmenschlich, unverständlich und mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklären.
Aber nicht nur mit den Flüchtlingen wird absolut unmenschlich umgesprungen, auch den Ehrenamtlern und Verantwortlichen in den Kommunen wurde ganz kräftig vor den Kopf gestoßen. Es gibt keinerlei Planungssicherheit, wenn man solch einen Belegungswechsel zwei Stunden vorher ankündigt. Wie soll ein Ehrenamtler da noch eine Beziehung zu den Flüchtlingen aufbauen, wenn sie in zwei Stunden schon wieder weg sein könnten? Was glauben die Verantwortlichen bei der Bezirksregierung eigentlich, wie so etwas personell bewältigt werden soll? Remscheid und nicht nur Remscheid kann das nur noch mit vielen Ehrenamtlern stemmen. Es ist gut und wunderbar, dass wir hier so viele Menschen haben, die mit anpacken, aber ich kann mich doch nicht einfach darauf verlassen, dass immer genug Ehrenamtler kurzfristig Zeit haben.
Ja, Remscheid hilft! Wir nehmen unsere Verantwortung für Menschen, die zu uns kommen sehr ernst. Auch die neu ankommenden Flüchtlinge werden wir mit offenen Armen aufnehmen, ihnen helfen, mit ihnen sprechen, Beziehungen aufbauen. Aber alle werden die Situation von heute im Hinterkopf haben. Das ist traurig, es geht hier um MENSCHEN, auf allen Seiten ,und diese Menschen und ihre Würde wurden mit diesem Vorgehen mit Füßen getreten! Dazu kann und will ich nicht schweigen und fordere die Bezirksregierung auf, diese Praxis sofort zu unterlassen.
* (Nadine Gaede, 25, ist Studentin und Vorsitzende der Remscheider Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD)