![Beim Jahresempfangf des Ev. Kirchenkreises gestern Abend im Vaßbendersaal. Foto: Lothar Kaiser]()
Mit Klängen von Saxophon und Klarinette, modern und
eindrucksvoll umgewandelten Fragmenten von Kirchenliedern, eröffnete gestern im
Vaßbendersaal der Stadtkirchengemeinde den inzwischen traditionellen Jahresempfang
des Evangelischen Kirchenkreises Lennep, der neben Remscheid auch die
nördlichen Teile des Oberbergischen und des Rheinisch-Bergischen Kreises
umfasst. Seit nunmehr sieben Jahren lädt
Superintendent Hartmut Demski am Vorabend des Reformationstages zu diesem
Empfang ein. Und dass es inzwischen schon zahlreiche Stammgäste gebe, komme
ihm sehr entgegen, scherzte Demski bei der Begrüßung. Denn mein
Namensgedächtnis ist nicht das beste. Aber je öfter ist Sie sehe...!
Auf 500 Jahre Evangelische Kirche das Jubiläum soll 2017
groß gefeiert werden bereiten sich die evangelischen Gemeinden im Lande mit
einer Reformationsdekade vor. Jedes dieser zehn Jahre ist einem anderen Thema
gewidmet. 2014 ist es Reformation / Kirche und Politik. Unter dieser Generalüberschrift
beleuchtete gestern zunächst Oberkirchenrat Christoph Pistorius aus Düsseldorf Aspekte
einer Verhältnisbestimmung, bevor dann Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz, bekennendes
Mitglied der evangelischen Kirche, Erwartungen der Politik an die Kirche
formulierte.
Der christliche Glaube entsendet den Menschen in die Welt
und nicht allein in eine religiöse Innerlichkeit. Es geht nicht allein darum,
Gott am Sonntag im Gottesdienst zu dienen, sondern eben auch im Alltag der Welt,
begann Christoph Pistorius, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, seinen
Vortrag. Wir sind als Christen gesandt, uns in unserem lebensweltlichen und
politischen Umfeld zu orientieren, zu bewegen und dankbaren Dienst an allen
Geschöpfen zu leisten, wie es die 2. These der Barmer Theologischen Erklärung formuliert.
Dabei sei die Bibel die Leitschnur und biete ethische Orientierung. Die Barmer Theologische
Erklärung spreche vom Wort Gottes als der einzigen Quelle, aus der die Kirche und
die Christenheit zu leben habe. Auch hier sei noch einmal die
Eigenverantwortung des Einzelnen zu betonen. Martin Luther steht mit seiner
Übersetzung der heiligen Schrift ins Deutsche dafür, dass der einzelne Christ
die Bibel zur Hand nimmt, darin liest und studiert, und sich für das Leben im
Alltag der Welt aus der Bibel heraus orientieren und inspirieren lässt, so Pistorius
. Einerseits habe Helmut Schmidt Recht, der in der Diskussion um den Nato-Doppelbeschluss
gesagt hat, mit der Bergpredigt könne man keine Politik machen. Eine konkrete
Entscheidung in einem aktuellen Kontext lässt sich aus diesen Worten Jesu, die
er auf einer Anhöhe über dem See Genezareth an das Volk gerichtet hat, nicht eins
zu eins ablesen. Es bedarf immer der Einordnung und je und je einer neuen verantworteten
Entscheidung, stimmt der rheinische Vizepräses dem einstigen Bundeskanzler zu,
aber: Andererseits bleibt die Idee der Feindesliebe eine unumstößliche
Wahrheit oder ein fundamentaler Wert. Es diente dem Wohl der gesamten
Menschheit, wenn wir in unseren Beziehungen die Feindschaft, den Hass und den
aggressiven Neid nicht kultivierten und verstärkten, sondern vielmehr unsere
Feinde liebten, so wie es die Bergpredigt sagt.
Der Schweizer Theologe Karl Barth habe einmal gesagt:
Christen lesen die Bibel und die Zeitung. In diesem Sinne resümierte
Christoph Pistorius: Wir schulden der Gesellschaft Angebote zur Orientierung
und zur Deutung, wissend darum, dass politische Willensbildungsprozesse auch
abseits der Kirche, ja manchmal auch gegen die Kirche verlaufen. Unsere Aufgabe
als Christinnen und Christen ist es, Gottes Wort in Zuspruch und Anspruch in
diese Welt zu sagen.
Der jüdisch-christliche Glaube gebe unserem heutigen Staat
ein Fundament für die Inhalte und die Geisteshaltung der Gesellschaft, fuhr
Pistorius fort. Auf diesem Glauben basiere auch das Grundgesetz. Dass der
Mensch, und zwar jeder Mensch, Geschöpf und Bild Gottes ist, ist ein religiöser
Satz und kein säkularer Satz. Dass in unserem Land die soziale Gerechtigkeit
stets anzustreben ist, dass Arme und Kranke ein Recht darauf haben, dass ihnen
geholfen wird, und dass es eine Pflicht gibt, Menschen in den Notsituationen zu
helfen wäre das ohne das jüdisch-christliche Gebot der Nächstenliebe zu
verstehen? In den politischen Fragen, die uns beschäftigen, ist die
Entscheidung an den Werten und Vorstellungen des jüdisch-christlichen Glaubens,
so wie er uns in der Heiligen Schrift überliefert ist, zu orientieren. Aber
diese Entscheidungen sind je und je neu zu verantworten und wir müssen uns
eingestehen, dass ein ethischer Komparativ dabei oft nicht ohne weiteres
erkennbar ist.
Ein Christ habe sein Tun und Handeln nicht nur am Evangelium
und den Geboten zu orientieren, folgerte der Referent, sondern er auch
Pflichten und Schuldigkeiten gegenüber einer weltlichen Obrigkeit zu erfüllen. Die
Barmer Theologische Erklärung hält daran fest, dass die Kirche und der Staat im
Interesse aller zu trennen seien. Dem Staat kommt die Rolle zu, für Recht und
Frieden zu sorgen im Zweifelsfall sogar unter der Anwendung von Gewalt. Aber die
fünfte These der Erklärung setzt der Gehorsamsverpflichtung, die der Staat seinen
Bürgern abverlangen kann, auch Grenzen: Wir verwerfen die falsche Lehre, als
solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und
totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der
Kirche erfüllen.
Was heißt das für das tägliche Miteinander von Kirche und
Politik? Pistorius: Wir beraten und bringen uns in die ethischen Diskussionen
ein, wenn es um den Lebensbeginn und das Lebensende geht. - Wir erinnern die
politisch Verantwortlichen an unsere Gesetze und verordneten Maßnahmen, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht und engagieren mit
auf allen Ebenen mit eigenen Angeboten. - Wir helfen in der Durchführung von
Kirchenasylen dabei, die Grundrechte in unserer Verfassung zu schützen, indem
wir Zeitfenster eröffnen, notwendige Prüfungen von Asylanträgen durchführen zu
können!
Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz formulierte seine
Erwartungen an die Kirche unter den Teilaspekten Heimat, Diakonie und
Solidarität. In einer Kirchen- und in
einer Stadtgemeinde komme es auf erlebbare
Heimat an. Sie sind ein und derselbe Ort, in dem wir leben. Hier wie dort
brauchen wir Nachbarschaft, Begegnung, Miteinander! Deshalb komme es auf
Seiten der Kirche auf Gemeindezentren an; ohne diese verliere Kirche ihren
nachbarschaftlichen Charakter, das habe er in Wuppertal schon zweimal gespürt: Die
leidigen Finanzen...! Auf dieser Gradwanderung zwischen finanziell Machbarem
und dem Selbstverständnis des Auftrages sowie den Erwartungen der Bürger / der
Gemeinde, die Stadt / die Gemeinde müsse weiterhin vielfältige, auch ´freiwillige
Aufgaben erfüllen, liefen auch in der Politik inzwischen viele Diskussionen ab,
do der OB. Nur noch Pflichtaufgaben erfüllen? Was ist dann mit dem Salz in der
Suppe, mit Kultur, Sport, Museen, Theater, Orchester, Freizeit? Die Kirche sei
herzlich eingeladen wie auch alle übrigen
relevanten Gruppen der Gesellschaft sich in diese Diskussion einzubringen. Wir
müssen aus unterschiedlichen Rollen und in gemeinsamer Verantwortung für die
Menschen, für die Attraktivität und Tragfähigkeit und die die Ressourcen diese
Diskussion führen!
Der gemeinsame Auftrag sei es, Menschen zur Seite zu stehen,
die in ihrer aktuellen Lebenssituation auf die Hilfe anderer angewiesen sind, fuhr
der Oberbürgermeister fort. Ich bin froh, dass Kirche trotz schwieriger finanzieller
Rahmenbedingungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge Mitverantwortung
übernimmt in Kindergärten, bei Seniorendiensten, in der Altenpflege, in der Hilfe
für Flüchtlinge ... Lassen Sie uns diesen Weg professionellen und
ehrenamtlichen Engagements gemeinsam weiter gehen und professionell gestalten!
Dankbar sei er für jedwede Solidarität mit Flüchtlingen.
Deren steigende Zahl in Remscheid sei eine große Herausforderung, auch in
finanzieller Hinsicht. Aber: In den vergangenen Wochen habe ich aus Teilen des
Rates Aussagen zu Muslimen und Flüchtlingen gehört, die ich nicht nur
ausdrücklich nicht teile, sondern die ich entschieden zurückweise! Er freue
sich über das respektvolle Ja der Kirche zu einem würdevollen und angemessenen
muslimischen Gotteshaus in Stachelhausen. Solidarität sei ein politischer wie
religiöser Auftrag über die Stadtgrenzen hinaus. Ein Auftrag, der unsere gemeinsame
Verantwortung für die Schöpfung und die Unversehrtheit aller Menschen zum
Inhalt hast!